#1

Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 05.09.2016 15:19
von Simplon • 1.808 Beiträge

Hallo,

auch ich weis, dass wir hier im Forum eigentlich recht fröhlich diskutieren. Trotzdem poste ich hier Auszüge aus einem Artikel der Computer Audiophile aus deren heutiger Homepage, weil ich selber den song schon lange kenne, Billie Holiday´s Version und vor allem auch die von Cassandra Wilson auf ihrem Album "Coming Forth by Day". Auch wenn Billie Holiday den song nicht selber geschrieben hat, wie sie behauptete, so hat sie ihn hinausgetragen aus den kleinen Bars der Schwarzen, wo ihn niemand gehört hätte ausser denen, die morgen "strange fruits" hätten werden können. Hier nun der Extrakt:

I believe it's important, to get the point across that this article contains difficult subject matter and how those in the artistic community dealt with a terrible part of our history in the US. If this article doesn't make you feel for the people involved, doesn't make you want to listen to the "song of the century," doesn't make you want to listen to more of the great music of the time, then I can't relate to you.

In 1999, as the Twentieth Century was winding down, Time magazine sent its editors and correspondents out on an epic assignment: define, analyze and curate the Twentieth Century. It was to be the story of the century (no pun intended). As this column is about music, we’ll look at how they rated the music of that volatile, passing century.

And what are the “strange fruit”? American negroes hanging in trees. They were called something less kind by the men who put them there. I could have said that other thing, but that’s what they were- not people, not neighbors, not men with families who loved and depended on them, not members of the community. No, just some negroes, hanging from trees in the thin morning light.

Listen for the sadness, listen for the accusation, listen for the pain. The song was first performed in Madison Square Garden in 1937 by Meeropol with his wife and a black vocalist, and recorded in 1939 by Ms. Holiday, at a time when Hitler was throwing Europe into chaos and race relations here deteriorated even further.

Der song beginnt " Southern trees bear a strange fruit / Blood on the leaves and blood at the root / Black bodies swingin' in the Southern breeze / Strange fruit hangin' from the poplar trees…

Was wäre wohl der song des Jahrhunderts in Europa. Ein jüdisches Lied aus dem Todeslager vielleicht, aber keine Zeitung fragt nach.

Entschuldigung, wenn ich hier mal den Stil und Rahmen des Forums sprenge.
simplon


Gruß Simplon

It don´t mean a thing if it ain´t got that swing (Duke Ellington, lyrics: Erving Mills, 1931)


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#2

RE: Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 05.09.2016 16:46
von maldix • 3.602 Beiträge

Interessante Fragestellung Simplon, über die es sicher mal gut wäre nachzudenken, welche Hits oder welcher Hit hier dieses Prädikat verdienen würde.

Hits oder Lieder aus dem Umfeld der Konzentrationslager oder die diese sehr schwierige Situation angemessen thematisieren sind mir persönlich nicht bekannt.

Ich wüsste im Augenblick auch nicht, ob man dieses Unrecht, das dem der "Strange Fruits" nicht wirklich nachsteht, bereits in dieser Art verarbeitet hat.

Da, soweit mir bekannt, die Rolle und Aufgabe der Musik in den Lagern ist bislang nicht ausreichend erforscht ist und wir selber wahrscheinlich dazu keine validen Informationen von Beteiligten bekommen werden, könnte diese eine Diskussion unerwartete Wendungen nehmen, die wir hier wahrscheinlich nicht führen sollten. Soweit mir weiter bekannt, war für die Inhaftierten eigene Musik eine Form der Hilfe zum Überleben. Leider benutzten die Schärgen er SS Musik und Singen als ein Mittel der Erniedrigung mit der Absicht Zerstörung des Lebenswillens zum Terror der Lagerinsassen.

Es meines Erachtens sehr schwer die dunklen Seiten der Geschichte, wo so vielen Menschen extremes Unrecht, Qual, Pein und Tod erfahren ist, in Musik zu fassen, die man als "Hit" einordnen könnte.

Da wir uns in unserem Land mit diesem Teil der Geschichte nur sehr differenziert und mit dem nötigen Respekt und Rücksicht beschäftigen sollten, macht ein solches Thema nicht unbedingt interessant für Medien. Hier können Bemerkungen ganz schnell sehr missverstanden werden.


auditorus te salutant
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#3

RE: Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 05.09.2016 23:01
von Simplon • 1.808 Beiträge

Wahrscheinlich hast Du recht, sowas kann hier im anonymen Forum schief gehen.

Letzte Woche kam ein Film von und über Harry Bellafonte, u.a. sein Kampf mit Martin Luther King und J.F.Kennedy für die Rechte der Afroamerikaner. War sehr gut gemacht. Bellafonte sprach von den politischen Zielen seiner Lieder und nicht vom Raumklang und ob man die Gitarren rechts hinten hört. Für mich als Spät-68er ist Kunst auch gesellschaftsrelevant.

Aber ich höre hier auf.
Gruß
simplon


Gruß Simplon

It don´t mean a thing if it ain´t got that swing (Duke Ellington, lyrics: Erving Mills, 1931)


zuletzt bearbeitet 05.09.2016 23:12 | nach oben springen

#4

RE: Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 06.09.2016 18:22
von maldix • 3.602 Beiträge

ja glücklicherweise sind wir nicht ganz so anonym.

Doch wie im "richtigen" Leben sollte man über Politik und Religion nur sehr vorsichtg debatieren. Da werden schnell imaginäre Grenzen überschritten und Empfindungen verletzt, die deutlich mehr Potential beinhalten als Diskussionen über allgemeine Themen in einem Forum. Und auch da habe wir/ich schon einiges lernen dürfen.

Belafonte, der alte Jazzer, hat es immer gut verstanden den Grad des Protestes in die richtige Richtung zu lenken. Dies haben aber auch andere Künstler immer wieder geschaft.

Letztes WE war ich in einem sehr schönen Jazz Konzert mit Max Mutzke und Thomas Quasthoff in der Bonner Oper. Die Beiden hatten sich im Schloß Ellmau kennen gelernt und hatten nun zum ersten Mal einen gemeinsamen Auftritt, zu dem u.a. auch PE Werner sich ins Publikum gesetzt hatte.

Gegen Ende ließ es sich Thomas Quasthoff, der ja selbst auf Grund der Contagan-Schädigungen immer wieder Spot ausgesetzt war, wieder nicht nehmen , auch ein paar ernste Worte zur aktuellen politischen Lage in Deutschland, der -Situation mit der AFD, Rassismus und zum Thema Haß-Reden , zu sagen.

Die positive Reaktion des Publikums bestätigte, dass es auch noch viele Menschen gibt, die den polulistischen Bewegungen nicht zu sprechen.

Ich finde, dass Künstler hier auch das Recht haben, ihre Meinung zu vertreten. Nur so kann etwas bewegt werden.


auditorus te salutant
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#5

RE: Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 06.09.2016 18:43
von GHP • 5.031 Beiträge

Zitat von Simplon im Beitrag #3
Für mich als Spät-68er ist Kunst auch gesellschaftsrelevant.




Nicht nur für dich als "Spät-68er".

Kunst war stets und wird es stets sein, ein enormer Ausdruck des gesellschaftspolitischen Status Quos und seines Wandels.
Man denke hier nur an Rock & Roll, der damals wie heute, immer eine starke Komponente gesellschaftlichen Protestes enthält !


Etwas Probleme habe ich allerdings manchmal doch mit gewissen Statements von Künstlern, die gerne mal eher ein Ausdruck öffentlich zur Schau gesteller Political Correctness sind.
Was ich von letzterer halte sage ich mal lieber nicht.


Ein Leben ohne GENELEC ist zwar möglich, aber sinnlos.

nunmehriges Goldohr ! ;-)
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#6

RE: Strange Fruit - Der Song des letzten Jahrhunderts

in Jazz 06.09.2016 21:11
von Simplon • 1.808 Beiträge

Hallo,
Ich habe den Hinweis von Maldix sehr ernst genommen, weil er recht hat. Mit dem Thema habe ich Grenzen dieses Mediums überschritten und den thread deshalb abgebrochen. Mal sehen, wie es im CA Forum damit geht.

Simplon


Gruß Simplon

It don´t mean a thing if it ain´t got that swing (Duke Ellington, lyrics: Erving Mills, 1931)


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#7

Kunst als Spiegel einer Zeit

in Jazz 06.09.2016 21:21
von Simplon • 1.808 Beiträge

Zitat von GHP im Beitrag #5
Zitat von Simplon im Beitrag #3
Für mich als Spät-68er ist Kunst auch gesellschaftsrelevant.




Nicht nur für dich als "Spät-68er".

Kunst war stets und wird es stets sein, ein enormer Ausdruck des gesellschaftspolitischen Status Quos und seines Wandels.
Man denke hier nur an Rock & Roll, der damals wie heute, immer eine starke Komponente gesellschaftlichen Protestes enthält !


Etwas Probleme habe ich allerdings manchmal doch mit gewissen Statements von Künstlern, die gerne mal eher ein Ausdruck öffentlich zur Schau gesteller Political Correctness sind.
Was ich von letzterer halte sage ich mal lieber nicht.


Hallo GHP,

als Fotograf kennst Du ja die berühmten Pressefotos, z.B. Das flüchtende Mädchen im Vietnamkrieg, jetzt der blutende Junge in Syrien. Fotografen, Künstler, die ihr Leben riskieren und dann aber "cool" bleiben, ihr Bild machen statt die Kamera wegzustecken und zu helfen. Das ist mindestens so wirkungsvoll wie Protest-Musik, erreicht Millionen.

Du hast recht, gilt aber für alle Arten von Kunst, oder?

Gruss
simplon


Gruß Simplon

It don´t mean a thing if it ain´t got that swing (Duke Ellington, lyrics: Erving Mills, 1931)


zuletzt bearbeitet 07.09.2016 13:20 | nach oben springen

#8

RE: Kunst als Spiegel einer Zeit

in Jazz 06.09.2016 21:26
von GHP • 5.031 Beiträge

Die gesellschaftspolitische Relevanz von Kunst gilt sicherlich für alle Kunstarten. Für die eine mehr, für die andere weniger. Musik, Film und Architektur sehe ich hier als besonders relevant an.

Was ist das CA-Forum ?


Ein Leben ohne GENELEC ist zwar möglich, aber sinnlos.

nunmehriges Goldohr ! ;-)
zuletzt bearbeitet 06.09.2016 21:26 | nach oben springen

#9

RE: Kunst als Spiegel einer Zeit

in Jazz 06.09.2016 21:40
von Simplon • 1.808 Beiträge

CA = Computer Audiophile.com / Forum, das aktivste HiFi -Forum in USA.


Gruß Simplon

It don´t mean a thing if it ain´t got that swing (Duke Ellington, lyrics: Erving Mills, 1931)


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#10

RE: Kunst als Spiegel einer Zeit

in Jazz 06.09.2016 21:53
von GHP • 5.031 Beiträge

Aha.

Zumindest gibt es bei den Amis keine "historischen Komplexe" wie in DE. Das macht das Diskutieren oftmals leichter, da weniger geschichtlicher Ballast und somit auch daraus resultierender "moralischer Argumentationszwang" vorhanden ist.


Ein Leben ohne GENELEC ist zwar möglich, aber sinnlos.

nunmehriges Goldohr ! ;-)
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